Facharbeit

Seine Bestimmung finden mit Hilfe der ganzeitlichen Stimmtherpie oder:

Wie wird man Disney-Prinzessin?

Copyright: Katharina Kornprobst

Einführung

Was für den westlich geprägten Menschen so klingt, als hätte die Verfasserin den Verstand verloren, so geht es bei der Idee, seine Bestimmung durch ganzheitliche Stimmtherapie zu finden, vermutlich genau darum – nämlich seinen Verstand ein Stück weit zu verlieren, Muster abzubauen und zurückzufinden in unsere Urform, zu unserem Seelenwesen. Was bleibt übrig, wenn alle Muster und Definitionen über sich selbst und darüber, wie die Dinge funktionieren müssen, aus der Gleichung genommen werden? Was bleibt, wenn nichts mehr bleibt? Was ist es, was dir dann noch Lebendigkeit gibt? Das, was dann zum Vorschein kommt ist bei erster Betrachtung etwas, das ja gar nichts Besonderes ist oder womit man kein Geld verdienen kann etc. Aber was, wenn es genau das ist, wofür man hier ist und wie kann es gehen, dass hieraus eine Berufung entstehen kann? Das sind die Fragen, mit denen wir uns hier beschäftigen.

Hauptteil

Wir kommen als reines, unschuldiges Wesen auf diese Welt, ausgestattet mit der Urform unserer Ausdrucksmöglichkeit, nämlich unserer Stimme. Die einzige wirkliche Möglichkeit, uns als Neugeborenes bemerkbar zu machen, ist eben unsere Stimme und auch Mama und Papa identifizieren wir zunächst anhand deren Stimmen. Als Baby haben wir noch eine gänzlich gesunde Beziehung zu unserer Stimme. Wir können z.B. stundenlang intuitiv auf eine richtige und gesunde Art und Weise schreien, ohne heiser zu werden. Der Profisänger muss das in späteren Jahren erst wieder mühevoll lernen.

Zudem haben wir als Baby das absolute Urvertrauen, dass für uns gesorgt ist und es nichts zu tun gibt, außer zu sein. Wie wäre es also, sich in den Zustand des Urvertrauens „zurück zu entwickeln“ und alles zu verlernen, was dem entgegen steht? Und wie wäre es, stattdessen nur Dinge zu tun, die uns in die absolute Lebendigkeit bringen, die unser Herz und unser Sein zum Klingen und zum Singen bringen?

Welche Freude hat so ein Baby daran, wenn erste glucksende Laute aus ihm heraus kommen. Später ist die Freude am Singen noch etwas ganz Natürliches, egal wie es klingt und ob die Töne sitzen. Oft empfinden andere die kindliche Ausdrucksweise als zu laut, zu schrill, zu durchdringend und beginnen, durch Kommentare oder Schimpfen den kindlich-natürlichen Ausdruck einzudämmen. Die Freude und Natürlichkeit mit sich selbst und seiner Stimme endet dann, spätestens aber, wenn es in der Schule um stillsitzen, stillsein und leistungsbezogenes Singen geht. Kaum jemand hat nicht durch einen Lehrer oder auch durch die Eltern aufgrund eines „unqualifizierten“ Kommentars zur Singstimme oder dem Singen allgemein ein „Stimmtrauma“ erlebt. Vermutlich passiert bei den meisten Menschen auch genau hier die Abtrennung von unserer Ur-Ausdrucksform und der Anbindung an das Urvertrauen. Ab diesem Zeitpunkt wird unser Verstand gelenkt in gewisse leistungsorientierte Richtungen. Das mag vermutlich auch einen gewissen Sinn haben, um in dieser Welt zurecht zu kommen und vermeintlich zu überleben, zumindest aus verstandesmäßiger Betrachtung. In früheren Zeiten hätte es den Ausschluss aus der Sippe und damit den Tod bedeutet, hätte man sich nicht den Regeln und Gegebenheiten angepasst.

Dennoch verwundet es nicht, wenn irgendwann im Leben ein Punkt kommt, an dem man anfängt die Dinge zu hinterfragen, sich selbst zu suchen und letztlich auszubrechen. Beim einen kommt dieser Punkt früher, beim anderen etwas später, beim einen ist es eher ein „Säuseln“, den anderen trifft es wie ein Orkan. Man hört von Beziehungen, die zerbrechen, weil man sich noch nicht ausgelebt hat und wer kennt ihn nicht, den Herrn mittleren Alters in der Midlife Crisis. Im schlimmsten Fall äußert sich dieser Ruf über meist schwere Krankheit. Die Schamanen kennen dies als „Schamanenkrankheit“. Derjenige, den die Geister als Schamanen ausgesucht haben, muss erst einmal durch das Tal der Dunkelheit um in die Freiheit zu gelangen.

„Am Anfang war das Wort“, so leitet die Bibel ihre Weisheitslehren ein. Tatsächlich ist der Ursprung der Schöpfungsgeschichte durch Wort und Klang keine Erfindung der Christen sondern findet sich in nahezu jeglicher Religion. Der liebe Gott oder Schöpfer oder wie auch immer man diese Kraft nennen mag, hat uns nicht zuletzt aus diesem Grund unsere Stimme als Urform der Ausdrucksmöglichkeit eingebaut – um unsere Schöpferkraft wirken zu lassen. Der Erfinder der Homöopathie, Samuel Hahnemann, war Freimaurer und diese nannten oder nennen Gott den „Weltenbaumeister“. Hahnemann sagte, dass der Weltenbaumeister uns einen Plan mitgibt, wie wir zu sein haben und wie wir sein könnten.[i] Die Frage nach dem „warum bin ich überhaupt hier“ stellt sich vermutlich jeder Mensch im Laufe seines Lebens. Was liegt da näher, als über unsere Stimme uns wieder mit dem Plan des Weltenbaumeisters zu verbinden, wo er uns doch genau dafür die Stimme mitgegeben hat?

Letztendlich spüren diese Menschen ganz deutlich, dass sie irgendwo „falsch“ abgebogen sind und einen Weg entgegen ihrer Ursprünglichkeit und ihrer Bestimmung eingeschlagen haben. Nicht jeder findet gänzlich zurück zu seinem Ursprung aber der Ruf führt dennoch dazu, die Dinge zu verändern. Hier kann die ganzheitliche Stimmtherapie helfen, seine innere Stimme wieder wahrzunehmen, zu spüren, was den Einzelnen wirklich glücklich macht und Wege zu finden, sein Leben dorthin auszurichten.

Zurück zu dem vorbeschriebene Vorschul-Kind: Fragt man dieses Kind, was es später einmal werden möchte, hat es meist ganz klare Vorstellungen: Feuerwehrmann, Ballerina oder auch Disney-Prinzessin. Was wäre, wenn es wirklich möglich wäre, Disney-Prinzessin zu werden? Fragt man den Suchenden, wann in der Kindheit er oder sie am Glücklichsten, am Angebundensten war, so könnte dies z.B. beim Lego- oder Puzzlebauen gewesen sein. Wie könnte es gehen, zu erkennen, dass z.B. die Bestimmung wirklich mit leidenschaftlichem Puzzlebauen zu tun haben könnte, z.B. als Leiter für meditatives Puzzeln oder indem man mit älteren Menschen puzzelt, um deren Gehirnleistung und kognitiven Fähigkeiten zu trainieren? Für diese Idee ist es also nötig, den Verstand zum Schweigen zu bringen, denn der kann nur immer das wiedergeben, was er schon kennt. Und deshalb wird der Verstand von vorne herein sagen: geht nicht!

Es ist ein Prozess, dorthin zu kommen, da wie erwähnt irgendwo auf dem Weg die Anbindung verloren gegangen ist. Hier setzt die ganzheitliche Stimmtherapie an und da es eine sehr kreative Arbeit ist und die eigene Bestimmung wie ebenfalls erwähnt etwas gänzlich Anderes sein kann, als man sich so vorstellt oder sich selbst einredet, beschäftigen wir uns nochmal kurz mit unseren Zeichentrickhelden, um eine Idee dafür zu bekommen, wie wichtig die Befreiung der Stimme für den ganzen Menschen auf seiner Suche nach sich selbst wirklich ist.

Was fast all die Disney-Helden und Heldinnen gemein haben, ist, dass sie singen. Egal ob sie fröhlich, traurig sind, Angst haben oder einfach nur Sehnsucht. Sie singen und „lösen“ ihre Probleme über ihre Stimme. So naiv und kindlich das erscheinen mag, so ursprünglich ist es zugleich und so arbeiten wir auch im übertragenen Sinn in der ganzheitlichen Stimmtherapie.

In allen traditionellen Kulturen ist Gesang, Musik und Tanz ein ganz essentieller Teil für das Überleben. Jeder einzelne Mensch ist mit seiner Stimme eingebunden in die Stammesriten und damit in das große Ganze. Ob es um sozialen Zusammenhalt, Gesundheit geht oder auch darum, die Harmonie mit der Natur zu halten bzw. wiederherstellen – die Stämme singen alle ihre ganz speziellen Ahnen- und Heillieder. Dabei geht es zu keiner Zeit um Leistung sondern immer nur um das Herstellen der Harmonie im großen Gefüge.

Es gibt in Ostafrika z.B. einen Stamm, bei dem ein Kind geboren wird, wenn die Mutter das erste Mal an ihr Kind denkt, also noch bevor es überhaupt gezeugt wird. Wenn sich die Mutter dann bewusst wird, dass sie mit einem Mann ein Kind zeugen möchte, setzt sie sich alleine unter einen Baum und lauscht dort in sich hinein, bis sie das Lied des Kindes hören kann. Sie kehrt dann in das Dorf zurück und singt es dem künftigen Vater vor. Beim Liebesakt wird das Lied ebenfalls gesungen und das Kind eingeladen, mit einzustimmen. Später wird das Lied den Frauen und Hebammen beigebracht, um das Kind bei seiner Ankunft zu begrüßen. Dann wird es den Dorfbewohnern beigebracht und das Lied wird zu jedem Fest, jedem Ritual aber auch als Heillied bei Verletzungen gesungen[ii]. Dieser Ritus wird etwas verändert z.B. im Film „Coco – Lebendiger als das Leben“ aufgegriffen. Miguels Oma Coco leidet an Alzheimer und Miguel singt ihr ein Lied vor, das der Vater von Oma Coco für diese komponiert hatte. In dem Moment, in dem Miguel singt, kommt kurz ein Teil von Omas Erinnerung zurück.

Für die Ureinwohner war es überlebenswichtig zu wissen, wo sie Wasser und Nahrung finden können. Markante Stellen und Orte wurden so in Liedtexte verarbeitet. Kennt der Sänger diese „Ahnenlieder“, so ermöglicht es ihm sich zu orientieren. Im Disney-Film „Vaiana“ spiegelt dies das Lied „Wir kennen den Weg“ wieder.

Im Film „Australia“ (ausnahmsweise kein Disney-Film) singt ein Aborigine eine ganz genau vorgegebene Liedfolge, um die Protagonisten des Films mit samt einer Viehherde durch das Australische Outback zu führen. Ohne diese Lieder in genauer Reihenfolge würde dies für alle Beteiligten den Tod bedeuten. Im Film wird immer wieder deutlich klar, wie wichtig die Heillieder für das Überleben der Menschen und das sich zurechtfinden in der Welt sind. Eine ganz große Rolle spielt in dem Film das Lied „Somewhere over the rainbow“, das die Protagonisten immer wieder zueinander führen soll.

Was unsere Disney-Helden noch gemein haben: Sie hören einen Ruf. Sie versuchen ihr Möglichstes, ihre ihnen von der Gesellschaft vorgegebene Rolle zu befolgen und wie unsereins in eine Welt zu passen, die für sie eher unnatürlich ist. Dennoch wissen sie in ihrer Tiefe, dass etwas Größeres auf sie wartet. So fragt sich Rapunzel in ihrem Turm „Wann fängt mein Leben an“? Vaiana hört den Ruf des Meeres und segelt wider den Vorgaben ihres Vaters über das Riff hinaus, um ihre Familie und die Insel zu retten. Sie folgen dem Ruf und damit ihrer Bestimmung – dem, warum sie in die Welt gekommen sind und nehmen nach ihrer Heldenreise ihren Platz im Universum ein. Sie brechen aus, wiedersetzen sich, werden ihrer Familie ein Stück weit untreu, um letzten Endes geheilt und geläutert zurück zu kommen in ein Happy End.

Nun haben unsere Disney-Prinzessinnen bekanntermaßen ein gesundes Verhältnis zu ihrer Stimme und ihrem Ausdruck – schließlich singen sie immer und überall. Wie zuvor beschrieben ist dies bei uns westlichen Menschen leider in den seltensten Fällen der Fall. All diese vorbeschriebene Anbindung an die Natur, das Universum, das Lied und die Stimme wird uns relativ früh aberzogen oder auch durch belastende und traumatisierende Erlebnisse von uns abgespalten.

An jeder Stimme hängt ein ganzer Mensch mit all seinen Erfahrungen, Emotionen, Schocks, Traumatas, Glaubenssätzen, Bewertungen etc. Sänger bemerken diese Auswirkungen auf ihre Stimme ganz unvermittelt. Jede kleinste Verspannung wirkt sich auf den Gesang und den sängerischen Ausdruck aus. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass jegliche Erlebnisse und Erfahrungen, insbesondere diejenigen aus der Kindheit, eine Stimme und den dazugehörigen Menschen dauerhaft in Kompensationsmuster versetzen. Erschreckenderweise nehmen wir dies als „normal“ hin, weil wir es nicht anders wissen. Stellen wir uns vor, ein Kind in seiner Natürlichkeit hüpft und singt und kreischt voller Begeisterung durchs Wohnzimmer. Der gestresste und völlig überforderte Vater schreit das Kind an oder versetzt ihm schlimmstenfalls im Affekt eine Ohrfeige. Was bleibt, ist ein Mensch, der seine Stimme nie wieder erheben wird, der vielleicht in einer Schockstarre verharrt, introvertiert bleiben wird etc. Er wird sich selbst erzählen: „Ich bin halt so“. Der natürliche Ausdruck eines kreativen, schöpferischen Wesens wird so für immer verstummen – sofern man die Verpanzerung nicht mit Hilfe der ganzheitlichen Stimmtherapie auflöst.

Natürlich erlebt nicht jeder Mensch solch schockierende Momente in seinem Leben. Dennoch: Schon in der Schwangerschaft hat die Mutter in unserer Kultur nicht die Zeit und die Ruhe, sich gänzlich auf ihr Kind einzulassen. Existenzängste übertragen sich auf das Ungeborene. Oft wird bei der Entbindung Mutter und Kind nicht die Zeit gegeben für den natürlichen Prozess, stattdessen wird verfrüht ein Kaiserschnitt eingeleitet. Stillen ist in unserer Welt unmodern geworden und dabei ist es nicht nur für die physische Gesundheit des Kindes enorm wichtig. In vielen modernen westlichen Familien wird weder für das Kind in Form von Schlafliedern noch mit dem Kind gesungen, um es von Anfang an vor falschem (leistungsorientiertem) Singen zu schützen. Die kognitiven Auswirkungen des Nichtsingens auf das Kind sind vielen Menschen gar nicht bewusst. Die modernen Erziehungspraktiken tun ihr Übriges, um von einem unschuldigen Wesen mit Urvertrauen ein orientierungsloses, verstummtes, nahezu lebloses Etwas zu machen.

Rudolf Steiner hat einmal gesagt: „Wer den Rhythmus verlässt, verlässt das Leben.“[iii] Große Anthropologen wie er sagten, dass der Untergang des Menschen begann, als er aufhörte, Nomade zu sein, denn dies ist die ursprünglichste Lebensart unserer Spezies.[iv] Sesshaftigkeit, Stillstand und Stagnation bedeuten Tod – Bewegung, Freiheit und Prozess stattdessen bedeuten Leben. Wilhelm Reich sagte, wenn wir diese Selbstregulation des Lebendigen nicht unterbrechen, wird die Lebensreise ganz harmonisch. Wann immer aber diese Lebensreise für längere Zeit unterbrochen wird, entstehen Körperpanzer, Stagnation und etwas, das er „emotionale Pest“ nennt.[v]

All diese Verpanzerungen passieren überwiegend in den ersten 7 Lebensjahren, in denen sich der Charakter des Menschen formt. Spätestens mit 14 Jahren ist das Drama schließlich perfekt – genau dann, wenn die Pubertät einsetzt und der Mensch anfängt, sich auszuprobieren und zu entdecken. Leider ist dann bereits „jegliche“ innere Stimme, innere Führung, verstummt.

Der Ansatz, um seinen ureigenen Ruf überhaupt wieder hören zu können, ist demnach, den Menschen zunächst von seinen Panzern zu befreien, wieder mit seiner Stimme zu verbinden, vor allem seiner inneren Stimme, antrainierte Muster abzulegen um schließlich gereinigt, geklärt und verbunden zur alles entscheidenden Frage vordringen zu können: Was macht dich im Leben glücklicher und lebendiger als alles andere?

Die Herangehensweise über die ganzheitliche Stimmtherapie verfolgt nicht, wie vielleicht vermutet, eine Stimmverbesserung (die im Übrigen automatisch folgt) oder gar den Klienten mit aller Gewalt zum Singen zu bewegen und auch nicht der Willkür des Therapeuten. Vielmehr wird der gesamte Mensch mit seinem Sein und seiner Stimme sowie alles was dazu gehört (Atmung, Muskulatur etc.) in die Selbstregulation geführt.

Der Arzt und Homöopath Prof. Matthias Dorcsi geht davon aus, dass es Gesetzmäßigkeiten gibt, die eingehalten werden müssen, um einen Patienten therapieren zu können und ihn gesund zu bekommen. Die erste dieser Gesetzmäßigkeiten ist, sich um die Atmung des Patienten zu kümmern. Er geht davon aus, dass ein Mensch, der nicht richtig atmet, nicht heilbar ist. [vi]

Der Klient hat in der ganzheitlichen Stimmarbeit zu jedem Zeitpunkt die Autorität, denn sein Körper bzw. sein Inneres weiß, was zur Stimm- und Atemstörung oder zur Abtrennung seines Wesens vom Urvertrauen geführt hat und ebenso weiß es, wie dies wieder rückgängig gemacht werden kann. Der Berliner Heilpraktiker Andreas Krüger arbeitet in seiner Praxis auf eben diese Art und Weise und nennt seine Heilarbeit „Demokratische Medizin“, abgeleitet von „demos kratos“ was so viel heißt wie „Alle Macht kommt vom Volke“ – und sein Volk ist der Klient.[vii] Der Therapeut öffnet und hält den heilenden und heiligen Raum und begleitet den Klienten zu seiner Selbstregulation. Für ihn ist der Ansatz, die Bereitwilligkeit und Fähigkeit zur Beweglichkeit und zum Erhalt des „inneren Nomadentums“ und der inneren Vielfalt essentiell für seine Therapie – sowohl beim Therapeuten als auch beim Klienten. Dieser Ansatz lässt sich auch auf die ganzheitliche Stimmtherapie übertragen.

Erwähnt werden sollte an dieser Stelle noch, dass es dabei nicht darum geht, den Klienten zu retraumatisieren oder nochmals durch den Schock zu führen. Vielmehr geht es darum, zu erkennen, welche Muster aktiv sind und die bewusste Entscheidung, diese aufzugeben und zu verlernen. Dies geschieht auf eine leichte, spielerische, kreative Art und Weise. Allem voran wird erörtert, was am Ende der Therapiezeit rauskommen soll, in diesem Fall eben seiner Bestimmung ein Stück näher gekommen zu sein, aber auch was in der einzelnen Sitzung passieren soll. Hier kann bei völliger Orientierungslosigkeit die Wunderfrage aus der Lösungsorientierten Kurzzeittherapie nach Steve de Shazer ein guter Wegweiser sein: Wenn heute Nacht, nachdem wir auseinander gegangen sind, ein Wunder passiert, woran erkennst du das morgen Früh? Mit dem dann gefundenen Gefühl kann in die Sitzung gegangen werden und alles, was nicht dem entspricht, wird kreativ über Stimme und Atmung aus dem System beseitigt. Man kümmert sich also gar nicht so sehr um das auslösende Problem sondern versucht, seine Haltung dazu zu verändern bzw. wird über die Stimme nachgenährt. Es wird z.B. reflektiert, ob das Verhalten oder das Muster im jetzigen Lebensabschnitt noch dienlich ist. Wenn nicht, bekommt dieser Persönlichkeitsanteil, der das Muster nach wie vor aufrechterhält, eine neue, beitragende Aufgabe. So werden nach und nach die ganzen bremsenden Stimmen im Kopf in Ressourcen verwandelt, die Sprechmuster verwandelt in eine angebundene Stimme, der man aufmerksam zuhört und die Authentizität wiedergibt. Letzten Endes ist man mit sich selbst wieder so verbunden, dass man die innere Stimme hören und ihr folgen kann in ein Leben voller Lebendigkeit und Urvertrauen und in ein Leben, in dem man seiner Bestimmung hier auf der Erde mit Freude und Leichtigkeit folgen kann. Die innere Stimme ist wie ein Wegweiser. Sie kennt den Weg unserer Seele. Wie wunderbar ist es, so einen Wegweiser zu haben. Leider haben wir verlernt, ihn wahrzunehmen. Viele Menschen erzählen mir immer wieder, dass ich ihnen im Gespräch (ganz unbewusst) etwas sage, was mit ihrer eigenen inneren Wahrnehmung übereinstimmt, sie sich aber nicht getraut haben, dem zu glauben und zu vertrauen. Wenn wir wieder lernen, dieser inneren Stimme zu lauschen und ihr zu vertrauen, dann können wir das, was sich uns zeigt, über die äußere Stimme zum Ausdruck bringen, z.B. indem wir Gespräche führen, die längst überfällig sind, oder uns im Außen mit unseren Talenten und unserer Bestimmung zeigen können. Und das gerade in der heutigen Zeit, in der Social Media eine große Rolle spielt und auch einen Raum voll Möglichkeiten erschafft.

Möglichkeiten der Bearbeitung

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Persönliche Erfahrungen und Gedanken

Mein persönlicher Weg begann vor vielen Jahren mit schwerer Krankheit (vielleicht einer oben erwähnten Schamanenkrankheit?). Auf meinem Weg zu mir selbst habe ich mich oft verloren und verlassen gefühlt. Schon damals ging ich mit der Frage schwanger: Was bleibt denn übrig, wenn alles wegbricht, z.B. mein Job, meine Familie, Freunde etc.? Was blieb war der Klang und der Gesang. Über viele Jahre war ich dennoch gefangen im leistungsorientierten Gesang und ein ziemlich lauter innerer Persönlichkeitsanteil in mir erlaubte es nicht, zu tönen, zu jaulen und einfach „schräg“ zu klingen geschweige denn mit Klangheilung zu arbeiten. Diese Stimme erschien mir immer wie eine in Nerz und Diamanten gekleidete Operndiva. Erst durch die ganzheitliche Stimmarbeit konnte diese innere Stimme dazu bewegt werden, auch Klänge, die nicht nach erarbeitetem Gesang klingen, zu erlauben und diese sogar als Erweiterung des Gesangs-Repertoires anzuerkennen.

Zu Beginn der Ausbildung wurden wir gefragt, was das Schönste wäre, was mir mit dieser Ausbildung passieren kann. Ich habe damals aufgeschrieben, dass das Schönste wäre, komplett mit dem Thema Stimme in die Selbständigkeit zu gehen, um aus dem System / dem Korsett, welches inzwischen viel zu eng ist, auszusteigen. Wie oben erwähnt war auf meinem Weg immer der Klang und der Gesang das, was bleibt, wenn sonst nichts mehr ist.

Durch die Anbindung meiner Stimme und das Abtragen der Stimmkompensationen und der Charaktermuster im Rahmen der Ausbildung konnte mein Wunsch für das Ausbildungsziel umgesetzt werden und noch mehr Klarheit für meinen weiteren Weg in den Fokus rücken. Aufgrund meines eigenen zurückgelegten Weges heraus aus der Anpassung hinein in die Bestimmung und die vollberufliche Stimmarbeit kann ich die Menschen, die zu mir finden, auf optimale Weise begleiten, denn das, was ich anbiete habe ich an mir selbst erlebt und erfahren. Welche bessere Qualifikation kann es geben, als die eigene Erfahrung?


Quellenangaben:
[i] „Heiler und Heiler werden – Gespräche über Heilkunst“, S. 101, Andreas Krüger und Haidrun Schäfer
[ii] „Die heilende Kraft des Singens“, S. 66, Wolfgang Bossinger
[iii] „„Heiler und Heiler werden – Gespräche über Heilkunst“, S. 40, Andreas Krüger und Haidrun Schäfer
[iv] „Heiler und Heiler werden – Gespräche über Heilkunst“, S. 76, Andreas Krüger und Haidrun Schäfer
[v] „Heiler und Heiler werden – Gespräche über Heilkunst“, S. 76, Andreas Krüger und Haidrun Schäfer
[vi] „Heiler und Heiler werden – Gespräche über Heilkunst“, S. 61, Andreas Krüger und Haidrun Schäfer
[vii] „Heiler und Heiler werden – Gespräche über Heilkunst“, S. 23, Andreas Krüger und Haidrun Schäfer